Die Konzeption interkultureller Kompetenz muss den Anforderungen kultureller Diversität und Heterogenität von Gesellschaften gerecht werden und dies ist nur vor dem Hintergrund eines erweiterten-offenen Kulturverständnisses möglich. Ein konstruktiver Umgang mit kultureller Vielfalt und unterschiedlichen Wertehaltungen auf zwischenmenschlicher Ebene ist ein Lernprozess, da keine Interaktion und kein Kontext dem anderen gleicht. Anforderungen für das interkulturelle Lehren und Lernen leiten sich aus dem Kultur- und Interkulturalitätsverständnis des Ansatzes interkultureller Kompetenz als Transferkompetenz ab. Es handelt sich dabei zum einen um die Vermittlung von Interkulturalität als Chance im Sinne der Missing-Link-Metapher. Zum anderen geht es um die Befähigung, in der als interkulturell erfahrenen Interaktionssituation über gemeinsame Aushandlungsprozesse Handlungssicherheit herstellen zu können. Vor dem Hintergrund der veränderten theoretischen Grundauffassungen von Kultur und Interkulturalität wird ersichtlich, dass etablierte Ansätze interkulturellen Lehrens und Lernens, die mit Dos & Don’ts arbeiten oder mit Aufgaben, die Kulturen auf Nationalkulturen reduzieren und versuchen, diese mithilfe von Dimensionsmodellen oder standardisierten Annahmen zu erklären, nur schwer mit den neuen Paradigmen vereinbar sind. Gleiches gilt für Rollenspiele und Simulationen mit zwei gegensätzlich konstruierten und entsprechend in sich homogen dargestellten Kulturen oder für Culture-Assimilator-Übungen, die interkulturellen Missverständnisse monokausal erklären. Die in diesem Leitfaden vorgestellten Inhalte und Methoden interkulturellen Lehrens und Lernens richten sich daher nach den neueren Ansätzen von Kultur und Interkulturalität. Der zu vermittelnde Inhalt ist dabei maßgebend für die Methodenwahl.

Neue Übungstypen zum interkulturellen Lernen, die den oben beschriebenen Wandel berücksichtigen, liegen derzeit in größerem Umfang noch nicht vor. Entsprechende Initiativen sind angestoßen worden. Zu den übergreifenden Lernzielen zählen:

  • konstruktiver Umgang mit Unbestimmtheits- und Unsicherheitssituationen
  • Perspektiven reflektieren und dementsprechend handeln
  • Unterschiede nicht nur hinsichtlich ihres Missverständnis-, sondern vor allem hinsichtlich ihres Chancenpotenzials verstehen
  • Synergiepotenziale identifizieren und umsetzen
  • Bewusstsein für Machtasymmetrien entwickeln, die bei interkulturellem Handeln auch durch unterschiedliche Sprachkompetenz entstehen können
  • Kulturen als nicht scharf voneinander abgrenzbare, mehrwertige und potenziell offene Netzwerke verstehen
  • kulturelle Entwicklungen in ihren globalgeschichtlichen Zusammenhängen verstehen
  • für interkulturelles Handeln motiviert sein und selbst dazu motivieren

Die Lernzielumsetzung und Didaktisierung, so haben wir dargelegt, sollte entlang einer Lernspirale (Rautenspirale) erfolgen, wodurch Lernen im Sinne der Anwendung und Nachhaltigkeit ermöglicht wird.


Modifié le: lundi 25 mars 2024, 01:41