Wie bereits erwähnt, haben wir die verschiedenen Komponenten des Kommunikationsprozesses hier zu analytischen Zwecken isoliert betrachtet. In der Praxis treten sie im Verlaufe des Kommunikationsprozesses praktisch gleichzeitig auf. Im nächsten Schritt werden wir uns daher mit Hilfe eines Modells ansehen, wie die verschiedenen Elemente des Kommunikationsprozesses miteinander in Beziehung stehen und interagieren. Auch wenn Bilder oder Modelle wie das folgende eine etwas vereinfachte Sichtweise bieten, so helfen sie uns doch, die Komplexität von Kommunikation zu erfassen.
Das Transaktionsmodell
Basierend auf und inspiriert von Bosse, Elke, 2011, S. 103
Illustration: Marie Seeberger (www.behance.net/marieseeberger) CC-BY-NC-SA 4.0 license
Für eine vergrößerte Ansicht klicken Sie auf das Bild
Das ursprünglich von Dean Barnlund in den 1970er Jahren entwickelte Transaktionsmodell führt die Ideen von Shannon, Weaver und Schramm einen Schritt weiter, indem es zeigt, dass Sender und Empfänger gleichzeitig und wechselseitig mit dem Senden und Empfangen von Informationen beschäftigt sind. Deshalb werden sie in unserem Modell nicht als Sender und Empfänger sondern als Kommunikator A und Kommunikator B bezeichnet, bzw. als Kommunikatorin A und B. Die Wechselseitigkeit und Gleichzeitigkeit haben wir dabei als eine Art Möbiusband dargestellt, das nicht orientierbar ist und bei dem man nicht zwischen vor und zurück unterscheiden kann. Das bezieht sich auch auf die Reaktion, die Rückmeldung und die Interpretationen der Kommunizierenden, die ebenso wechselseitig und gleichzeitig erfolgen. Dies trifft auch auf den Prozess des Kodierens und Dekodierens zu. Auch angedeutet wird hiermit, dass sowohl die Form der Kommunikation als auch das Medium nicht festgeschrieben sind und sich im Laufe der Kommunikation ändern können. Die Störquellen werden hier als Wolke dargestellt, da sie im gesamten Prozess wirksam sein können. Und, wie schon mehrmals erwähnt, ist es wichtig, den Handlungskontext mit in den Blick zu nehmen, der Einfluss auf den gesamten Kommunikationsprozess nimmt.
Das Ziel der Kommunikation ist die Ko-Konstruktion von Bedeutung, aber, und auch das zeigt das Modell, dies ist nie gänzlich zu erreichen und wir können uns daher dem Ziel immer nur so weit wie möglich annähern. Dies hat auch damit zu tun, dass wir uns mit unserer Person, unseren kulturellen Prägungen und unserer ganz spezifischen Situation und damit dem individuellen Kontext, aus dem heraus wir kommunizieren, einbringen. Ebenso ist es möglich, dass es im Kommunikationsprozess zu Verwirrungen, Unverständnis oder Irritationen kommt, die im Prozess teilweise oder gänzlich gelöst werden oder aber in unterschiedlichen Formen der Ablehnung münden. Auf diese Reaktionen und wie man im Kommunikationsprozess damit umgehen kann, werden wir in der nächsten Lerneinheit eingehen.
Das Model zeigt indirekt auch, dass Kommunikation eine Beziehungs- und eine Inhaltskomponente hat, Während sich der "Inhalt" auf die Informationen zum Thema der Kommunikation bezieht, bezieht sich die Beziehungskomponente darauf, wie die Kommunikatoren ihre Beziehung zueinander verstehen und wie diese sich weiterentwickelt. Wir kommunizieren also, um Nachrichten und Informationen auszutauschen, und gleichzeitig kommunizieren wir, um Beziehungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten, Allianzen zu bilden und mit anderen in soziale Interaktionen zu treten. Durch diesen Prozess tragen wir dazu bei, soziale Realitäten zu konstruieren.
Das Transaktionsmodell wurde hier gewählt, weil es sich auf den Austausch, die Teilnahme und das Zusammenbringen von Menschen konzentriert, mit dem Ziel, gemeinsam einen Sinn zu schaffen und so durch den Kommunikationsprozess eine Gemeinschaft aufzubauen. Es ist die "Wir"-Orientierung, die dazu beiträgt, eine Atmosphäre zu schaffen, in der wir uns verstanden, unterstützt und respektiert fühlen.
Aufgabe: Das interne Audit
Wenden Sie das Transaktionsmodell an, um die nachstehende Kommunikationssituation zu analysieren. Argumentieren Sie anhand Ihrer Ergebnisse, inwieweit zwischen Marino und dem Abteilungsleiter eine Ko-Konstruktion von Bedeutung stattgefunden hat oder möglich war. Notieren Sie Ihre Antworten in Ihrem Learning Journal.
Der Hintergrund:
Marino ist ein interner Prüfer. Sein derzeitiger Auftrag besteht darin, die Reiseabteilung eines Unternehmens zu prüfen. Die Reiseabteilung ist für die Organisation und Bezahlung aller Reise- und Unterbringungsvorkehrungen sowie für die Beschaffung von Visa für 35 internationale Führungskräfte und Handelsvertreter zuständig.
Die Kommunikationssituation:
Marino traf zur vereinbarten Zeit in der Reiseabteilung ein, musste aber fast 25 Minuten lang warten. Als schließlich der Abteilungsleiter auf ihn zukam, schaute er sichtlich erschrocken auf seine Uhr. Der Abteilungsleiter schenkte ihm ein breites Lächeln und sagte: "Ah, wir haben ja viel Zeit, nicht wahr? Möchten Sie einen Kaffee?" Marino lehnte höflich ab.
Beim Händeschütteln trat der Abteilungsleiter dicht an Marino heran, dem dies unangenehm war und der deshalb zurückwich. Er bat ihn, ihm in das Büro der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu folgen. Marinos Unbehagen wurde dadurch verstärkt, dass das Büro überfüllt zu sein schien und die Schreibtische von Personen besetzt waren, denen er nicht vorgestellt wurde und andere Personen ständig durch eine Seitentür kamen und gingen.
Das Gespräch wurde mehrmals von Personen unterbrochen, die dem Abteilungsleiter Fragen stellten. Der Abteilungsleiter antwortete, wobei er seine Antworten auch mit an Marino gerichtete Bemerkungen füllte, den dies eher verwirrte, da er sich nicht kompetent fühlte.
Schließlich gingen beide in das Büro des Abteilungsleiters und nachdem sie sich hingesetzt und Höflichkeiten ausgetauscht hatten, begann Marino damit, die beiden Problembereiche anzusprechen, die im vorläufigen Prüfungsbericht hervorgehoben worden waren. Der eine betraf Beschwerden über die verspätete Zahlung von Reisekosten durch in der Tochtergesellschaft tätige Expatriates. Der andere Bereich betraf zahlreiche Fälle, in denen gegen Vorschriften verstoßen wurde.
Er schlug vor, sie in dieser Reihenfolge zu behandeln, und der Reiseleiter stimmte zu, ging dann aber direkt zur Frage des Regelverstoßes über.
"Wissen Sie, einige dieser Regeln sind wirklich nicht praktikabel", sagte er. "Sie machen einfach zusätzliche Arbeit ohne Grund. Ich nehme an, Sie stimmen zu, dass Ihr Kollege keine Fälle von Unehrlichkeit oder Veruntreuung von Geldern gefunden hat?"
Marino stimmte zu - es war keiner gefunden worden -, dachte aber bei sich: "Regeln sind Regeln, und sie sind für einen bestimmten Zweck da."
Quelle: Vgl. Guirdham, M., & Guirdham, O., 2017, S. 145f.