Zwischen dem erweiterten und dem engen Kulturbegriff besteht ein wesentlicher konzeptioneller Unterschied. Der enge Kulturbegriff, auch als "Hochkultur" bezeichnet, nimmt eine Unterscheidung zwischen Kultur und Zivilisation vor und bezieht sich dabei auf die Klassik, Kunst, Architektur und Literatur oder auf das sogenannte "Schöne, das Wahre und das Gute". Ein solch enger Kulturbegriff wurde von Immanuel Kant und später von Oswald Spengler vertreten und war bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts weit verbreitet.

Das erweiterte Kulturverständnis setzt Kultur mit dem Lebensumfeld oder der Lebenswelt der Menschen gleich und repräsentiert demzufolge soziale Praxis. Der soziologische Begriff der Lebenswelt berücksichtigt Umweltfaktoren wie Bildung, Technik, Religion, Recht usw. Unter Lebenswelt ist die konkrete "Alltagswelt" zu verstehen, die wir als Individuum erlaben und aus der wir unser Handeln und Denken ableiten, das uns als "normal" und selbstverständlich erscheint. Die Lebenswelt ermöglicht es den Menschen zu interpretieren, zu kommunizieren und sozial eingebunden zu sein. Kultur als Lebenswelt ist Teil der nicht hinterfragbaren und selbstverständlichen Realität des Individuums und ist zudem Ergebnis menschlichen Handelns.

Die folgende Abbildung veranschaulicht diese beiden konzeptionellen Sichtweisen von Kultur.

Abbildung: Enger und erweiterter Kulturbegriff

Quelle: Bolten, Jürgen (2015, S. 46), angepasst und ergänzt


Zuletzt geändert: Mittwoch, 29. Mai 2024, 14:16