Die folgenden Zitate stammen aus E-Mails, die Teil eines Austauschs zwischen Kunden und einem Ersatzteillieferanten sind. Stellen Sie sich vor, Sie sind in der Logistikabteilung dieses Unternehmens für die Kundenzufriedenheit zuständig. Sie kommen am Montagmorgen im Büro an und finden die folgenden E-Mails von Kunden in Ihrem Posteingang:
Denken Sie über die folgenden Fragen nach:
- Was ist der eigentliche Inhalt der beiden Nachrichten?
- Welche Gefühle werden bei Ihnen ausgelöst, wenn Sie sie lesen?
- Wenn der Inhalt Teil eines Telefongesprächs wäre, wie würde die Intonation Ihre Interpretation und Ihre Wahrnehmung der Worte verändern?
- Wenn Sie die E-Mails lesen, hat die Beziehung, die Sie mit dem Kunden haben, einen Einfluss auf die Art und Weise, wie Sie die Nachrichten interpretieren? Beeinflusst die Anzahl der vorangegangenen E-Mail-Kontakte Ihre Interpretation des Inhalts?
- Beeinflusst das Wissen, dass Ihr Kunde englischer Muttersprachler ist, die Art und Weise, wie Sie die Nachrichten "lesen"?
Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen kann uns verdeutlichen, wie vielschichtig und komplex Kommunikation ist. Sie machen deutlich, wie viel Bedeutung in einfachen Botschaften wie in den Obigen enthalten sein kann. Dies wiederum unterstreicht die Relevanz einer sorgfältigen Analyse von Kommunikationssituationen.
In diesem Kapitel werden wir dieses Ziel erreichen, indem wir die verschiedenen Elemente des Kommunikationsprozesses erörtern. Dabei sind wir uns bewusst, dass eine getrennte Betrachtung von verschiedenen Komponenten nur begrenzt sinnvoll und möglich ist und nur dem Zweck der Analyse dient, da letztlich alle Elemente miteinander verwobene und Teil des Kommunikationsprozesses sind.
Im Wesentlichen können wir acht Elemente eines Kommunikationsprozesses ausmachen:
- die Kommunikatoren oder beteiligten Personen
- die Formen der Kommunikation
- der Kodierungs- und Dekodierungsprozess
- das verwendete Medium
- Art und Umfang der Störquellen
- der Kontext der Kommunikation
- die Reaktion oder das Feedback der Kommunikatoren
- die Ko-Konstruktion von Bedeutung und das Ergebnis der Kommunikation
Das folgende Beispiel zeigt die verschiedenen Elemente in einer Kommunikationssituation:
Ein Kunde und ein Lieferant (Kommunikatoren) haben vor kurzem begonnen, eine Geschäftsbeziehung aufzubauen, und der Lieferant hat gerade zum ersten Mal seinen neuen Kunden beliefert (Kontext). Nachdem der Kunde festgestellt hat, dass ein bestellter Artikel nicht den Spezifikationen entspricht, möchte er diesen Artikel ersetzt haben. Da er schon lange auf die Lieferung gewartet hat und den Artikel dringend benötigt, ist er ziemlich verärgert und beschließt, seinen Lieferanten anzurufen (Medium) und mit ihm zu sprechen (Kommunikationsform). Während des Telefonats kommt es zu Störungen in der Telefonleitung, die das Gespräch ständig unterbrechen (Rauschen). Beide Gesprächspartner reagieren irritiert (Reaktion) und beschließen, ihre Kommunikation per E-Mail fortzusetzen, um sicherzustellen, dass sie ein gemeinsames Verständnis darüber entwickeln, was schiefgelaufen ist (Ko-Konstruktion von Bedeutung) und was in Zukunft anders gemacht werden muss (Ergebnis).
Bevor wir diese Elemente in ein Kommunikationsmodell integrieren, wollen wir jedes einzelne Element genauer betrachten.
Die Kommunikatoren
Die an der zwischenmenschlichen Kommunikation beteiligten Personen sind die Kommunikatoren. Wenn man sie als Kommunikatoren betrachtet, wird die Tatsache berücksichtigt, dass sie sowohl Botschaften senden als auch empfangen, und dass Geben und Empfangen nicht nur ein gegenseitiger Akt ist, sondern gleichzeitig stattfindet. Denken Sie an eine Situation, in der jemand seinen Vorgesetzten um eine Gehaltserhöhung bittet. Schon beim Vortragen des Arguments wird die Person ihre Äußerungen sorgfältig vorbereiten, antizipieren und gestalten, während sie die Reaktion des Vorgesetzten beobachtet. Der Vorgesetzte kann Besorgnis oder Überraschung signalisieren und zu einem späteren Zeitpunkt verbal auf die Forderung eingehen. Während des Sprechens gestalten also beide kontinuierlich ihre Sprechakte und orientieren sich am anderen. Dies bedeutet auch, dass eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Kommunikatoren besteht.
Die Formen der Kommunikation
Kommunikation ist ein Prozess, bei dem Menschen interagieren und dabei verschiedene Kommunikationsformen nutzen, um Bedeutung zu erzeugen. Grundsätzlich kann zwischen mündlicher und schriftlicher Kommunikation unterschieden werden. Innerhalb dieser Kategorien kann eine weitere Unterscheidung zwischen verbalen, nonverbalen, paraverbalen und extraverbalen Formen der Kommunikation getroffen werden, wie das folgende Diagramm zeigt.
Verschiedene Realisierungen der vier Kommunikationskomponenten
Quelle: Bolten, 2015, S. 23, ergänzt
Im Allgemeinen kommunizieren wir mit Zeichen und Symbolen, die für etwas stehen. Verbale Zeichen und Symbole, unabhängig davon, ob sie gesprochen oder geschrieben werden, beziehen sich auf die Wörter einer Sprache, aber auch auf Aspekte wie die Art des Sprechens, die Art und Weise, wie Wörter angeordnet werden, und den Stil und die Anordnung von Sätzen. Im Gegensatz dazu beziehen sich nonverbale Zeichen und Symbole auf die Sprache des Körpers, einschließlich Gestik, Mimik und Körperhaltung, wenn es um mündliche Kommunikation geht. Auch in der schriftlichen Kommunikation können wir nonverbale Kommunikation beobachten. In diesem Fall wird sie z. B. durch Bilder, Zeichnungen und Diagramme dargestellt. Zur paraverbalen Kommunikation oder Paralinguistik gehören Aspekte wie Lautstärke, Akzente, Volumen und Stille. Wie der Begriff schon sagt, bezieht sich die extraverbale Kommunikation auf den Zeitpunkt und den Ort der Kommunikation, aber auch auf unseren Tast- und Geruchssinn, wenn wir von Angesicht zu Angesicht kommunizieren. In der schriftlichen Kommunikation bezieht sich die extraverbale Kommunikation auf die Zeit, z. B. den Zeitpunkt einer Veröffentlichung, aber auch auf den Ort, an dem der Text übermittelt wird, und andere Aspekte wie z. B. die Faltung des Papiers.
Obwohl Bedeutung und Affekt durch das Zusammenspiel von verbalen, nonverbalen, paraverbalen und extraverbalen Zeichen in der mündlichen und schriftlichen Kommunikation erzeugt werden, werden sie im Folgenden zu Analysezwecken getrennt behandelt.
Verbale Formen der Kommunikation
Wenn man über verbale Kommunikationsformen nachdenkt, kommt einem in der Regel als erstes die Sprache in den Sinn. Sprache kann als ein System von Zeichen definiert werden. Die Zeichen einer Sprache sind als Wörter bekannt, die für Dinge stehen und diese repräsentieren. So bilden beispielsweise die vier Buchstaben "H U N D" ein Wort, weil sich Menschen irgendwann einmal darauf geeinigt haben, dass dieses Wort für ein bestimmtes Tier stehen soll. Da die gemeinsame Bedeutung jedoch von den beteiligten Personen abhängt, kann die Bedeutung und Konnotation dessen, was ein Hund ist, variieren. Manche Menschen kennen einen Hund als Haustier oder sogar als Familienmitglied. Für andere ist ein Hund ein Arbeitstier, das zum Treiben von Schafen und Rindern eingesetzt wird. Wieder andere sehen Hunde einfach als gefährliche Tiere an. Dieses Wissen, das durch die Bewertungen unserer sozialen Gruppe weitergegeben und abgesichert wird, beeinflusst unsere Wahrnehmung grundlegend.
Wörter werden auf systematische Weise und nach bestimmten Regeln und sozialen Konventionen kombiniert. Soziale Konventionen sagen uns, welche Zeichen, in diesem Fall Wörter, wir verwenden und wie wir sie kombinieren sollten, um Sätze zu bilden und auf sinnvolle Weise zu kommunizieren. Wenn wir Wörter kombinieren, um einen Satz zu bilden, wenden wir die sprachlichen und grammatikalischen Regeln an, an die wir gewöhnt sind. Diese Praktiken haben sich im Laufe der Zeit herausgebildet und werden sich auch weiterhin verändern und weiterentwickeln.
In der deutschen Sprachgemeinschaft hat es sich beispielsweise eingebürgert, das Wort "Handy" für ein Mobiltelefon oder Smartphone zu verwenden. Das Wort „Handy“ wird aber von englischen Muttersprachlern nicht als „Mobiltelefon“ verstanden. Im englischsprachigen Sprachgebrauch bedeutet das Wort "Handy" in der Regel "handlich“ oder „etwas bequem zu benutzen". Dieses Beispiel zeigt, dass die Bedeutung eines Wortes mit den sozialen Konventionen zusammenhängt, die Benutzern vertraut sind und von ihnen akzeptiert werden.
Die Verwendung der Wörter "ja" und "nein" ist ein weiteres Beispiel dafür, zu zeigen, wie wichtig es ist, die Bedeutung von Wörtern und Begriffen zu klären und den damit zusammenhängenden sozialen Konventionen, um Missverständnisse in der Kommunikation vorzubeugen. Abgesehen von der Bedeutung von "ja" als Bejahung verweisen Hoffman und Verdooren (2019; S.160) auf andere mögliche Bedeutungen des Wortes. Sie argumentieren, dass es auch "Vielleicht", "Ich werde darüber nachdenken", "Ich höre, was Sie sagen" oder "Fahren Sie mit Ihrer Geschichte fort" bedeuten kann. Eine Erklärung für die Vielfalt der Bedeutungen von "ja" und "nein" ist, dass die Antwort in solchen Fällen eher mit der Beziehung zwischen den Kommunikatoren zu tun hat als mit der inhaltlichen Ebene (vgl. Hoffman / Verdooren 2019; S. 160f.). Zum Beispiel könnte eine Person von ihrem Chef, der eine Vorliebe für die direkte Rede hat, gefragt werden: "Wäre es möglich, dass Sie am Samstag für ein oder zwei Stunden vorbeikommen?". Anstatt zu antworten "Es tut mir leid, aber ich werde es nicht schaffen" und damit dem bevorzugten direkten Kommunikationsstil des Chefs zu folgen, sagt die Person vielleicht "Ja,...", obwohl sie der Bitte nicht nachkommen kann. Die Person sagt "Ja…", weil sie ihren Chef nicht enttäuschen will und nutzt das "Ja" im Sinne von "Ich werde es versuchen, aber wahrscheinlich schaffe ich es nicht".
Wörter können jedoch nicht nur unterschiedliche Bedeutungen haben, sondern auch für unterschiedliche gesellschaftliche Konventionen stehen, wie das kurze Gespräch von zwei Arbeitskollegen zeigt:
Die lexikalische oder wörtliche Bedeutung des Satzes "Warum gehen wir nicht mal zusammen Mittag essen?" ist leicht zu verstehen. Die soziale Konvention, die hinter dem Satz steht, könnte jedoch darin bestehen, dass es sich um eine höfliche Art und Weise handelt, zu sagen: "Ich muss jetzt gehen, und ich möchte etwas sagen, das unsere Beziehung hervorhebt und mir den Abschied erleichtert". In Anbetracht der Antwort von A auf die Frage „Hast Du am Freitag Zeit“ bedeutet der Satz „Warum gehen wir nicht mal zusammen Mittag essen?“ wahrscheinlich, dass sie in absehbarer oder nicht absehbarer Zukunft gemeinsam zu Mittag essen würden. Das Gleiche könnte für den Satz "Wir sprechen uns später" gelten, wobei "später" eher "ein andermal" bedeutet als später am Tag oder in der Woche. Die soziale Konvention, die sich dahinter verbirgt, ist wahrscheinlich eine Höflichkeitsfloskel, um den Gesprächspartner nicht zu enttäuschen und die soziale Interaktion zu erleichtern.
Nonverbale Formen der Kommunikation
Neben der sprachlichen Kommunikation können wir auch nonverbal kommunizieren. Während sich verbale Zeichen auf gesprochene und geschriebene Worte beziehen, sind nonverbale Zeichen Hinweise oder Signale, die ohne den Gebrauch von Vokabeln übermittelt werden. Wenn wir sprechen, wählen wir Worte, um zu kommunizieren und diese werden von unseren Körperbewegungen, unserer Mimik und unseren Handgesten begleitet. Diese nonverbalen Zeichen beeinflussen die Bedeutung, die wir den verwendeten Wörtern beimessen. Nonverbale Zeichen können eine verbale Botschaft ergänzen, unterstreichen oder manchmal auch dieser widersprechen. Wir könnten zum Beispiel eine Freundin treffen und sie fragen: "Wie geht es dir?", woraufhin sie vielleicht antwortet: "Mir geht es gut, danke", auch wenn ihre Mimik etwas anderes verrät.
Selbst für diejenigen, die der verbalen Ausdrucksweise große Beachtung schenken, ist es wichtig, die Bedeutung der non-verbalen Kommunikation wahrzunehmen und anzuerkennen. In Kontexten, in denen die verbale Übertragung behindert wird, sind nonverbale kommunikative Codes auf der Grundlage von Gestik, Mimik, Körperhaltung und Abständen sowie Paralinguistik sogar besonders wichtig. In der Tat wird allgemein argumentiert, dass die nonverbale Kommunikation einen größeren Einfluss auf die übermittelte Botschaft hat als die verbale. Sie wird als eine Sprache verstanden, die einen großen Einfluss auf den Kommunikationsprozess hat, aber schwer zu steuern ist.
Zum Beispiel ist es sehr verbreitet, seine Gefühle auf nonverbale Weise auszudrücken, und es gibt viele Möglichkeiten, dies zu tun. Dabei zeigen manche Menschen offen, ausdrucksstark und direkt ihr Glück, ihre Überraschung oder ihren Ärger und in dem Versuch, beispielsweise etwas hervorzuheben und Unzufriedenheit auszudrücken, kann die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen genutzt werden. Aber es gibt auch Menschen, die ihre Gefühle eher zurückhaltend ausdrücken oder sogar versuchen, sie überhaupt nicht offen zu zeigen. Die Art und Weise, wie wir unsere Gefühle und Absichten in einem bestimmten Umfeld ausdrücken, wird stark von gesellschaftlichen Konventionen, aber auch von unserer Persönlichkeit beeinflusst.
Gesichtsausdrücke können von den einzelnen Gesprächspartnern unterschiedlich interpretiert werden. Ein Lächeln kann als Zeichen der Freude oder Sympathie bei der Begegnung mit jemandem oder als Zeichen des Selbstbewusstseins aufgefasst werden. Es kann aber auch als Ausdruck des Zweifels oder sogar der Feindseligkeit interpretiert und als bösartiges Grinsen gedeutet werden. Ebenso können Menschen andere verwirren, wenn sie lächeln, nachdem sie einen Fehler gemacht haben. Beobachter verbinden das Lächeln möglicherweise nicht mit der sozialen Praxis, das Gesicht zu wahren, was die Menschen daran hindert, die Situation von Gefühlen bestimmen zu lassen.
Die folgenden Bilder zeigen verschiedene emotionale, nonverbale Ausdrücke.
Gesichtsausdrücke für verschiedene Gefühle: Angst, Verachtung, Traurigkeit, Freude, Überraschung, Wut, Ekel
Fotografien von Elena Martou
In einem Gespräch kann der Blickkontakt als Zeichen der Aufmerksamkeit, des Respekts oder der Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit wahrgenommen werden. In diesem Fall können Menschen, die den Blick abwenden oder den Kopf senken, um den Blickkontakt zu vermeiden, wenn sie sprechen oder angesprochen werden, als desinteressiert, respektlos oder unaufmerksam wahrgenommen werden. Dies mag aber eine völlig falsche Wahrnehmung und Interpretation sein. Ein junger Erwachsener, der seinem Chef gegenüber den Kopf senkt und den direkten Blickkontakt meidet, tut dies unter Umständen, um seinen Respekt gegenüber seinem Vorgesetzten zum Ausdruck zu bringen.
Ein weiterer Aspekt der Körpersprache bezieht sich auf die persönliche Distanzzone und damit den Abstand zu meinem Gegenüber, den ich als angenehm wahrnehme. Mit diesem Konzept sind gesellschaftliche Konventionen und persönliche Erwartungen verbunden, die sich auf die „Pufferzone“ um uns herum beziehen. Wenn diese „Pufferzone“ verletzt und nicht eingehalten wird, werden unsere unbewussten Erwartungen diesbezüglich sehr deutlich. Wenn beispielsweise unsere persönliche Distanzzone 40 bis 50 cm beträgt und diese nicht mit den räumlichen Erwartungen unseres Kommunikationspartners oder Kommunikationspartnerin übereinstimmt und als unangemessenes Eindringen in die innerste Distanzzone wahrgenommen wird, kann unser Verhalten als aufdringlich, unhöflich oder sogar einschüchternd empfunden werden. Das Aushandeln eines angenehmen, von beiden Seiten akzeptierten persönlichen Abstands mit unserem Kommunikationspartnern oder Kommunikationspartnerin ist daher unerlässlich.
Die persönliche Distanzzone ist eng mit dem Kontaktverhalten wie beispielsweise einer körperlichen Berührung verbunden. Menschen, deren „Pufferzone“ eher größer bemessen ist, empfinden ein Klopfen auf die Schulter, den Arm oder die Hand häufig als unangenehm und unangemessen. Die Begrüßung durch Händeschütteln ist ebenfalls eine berührende Geste und wird je nach den Erwartungen des Empfängers sehr unterschiedlich wahrgenommen.
Aufgabe: Meine persönliche Distanzzone
Wählen Sie eine bestimmte Situation aus, z. B., wenn Sie in einer Warteschlange vor einem Geschäft stehen oder an der Bushaltestelle warten, und denken Sie über Ihre bevorzugte persönliche Distanzzone nach, indem Sie sich schrittweise auf die Person zubewegen, die mit Ihnen wartet. Wann beginnen Sie sich unwohl zu fühlen? Glauben Sie, dass die Corona-Pandemie Ihre bevorzugte Distanzzone beeinflusst hat? Wie sieht es mit der bevorzugten persönlichen Distanzzone der anderen Person aus? Ist sie ähnlich oder anders?
Notieren Sie Ihre Gedanken in Ihrem Learning Journal.
Paraverbale Form der Kommunikation
Neben der verbalen und nonverbalen Kommunikation müssen wir auch die paraverbale Kommunikation in unser Kommunikationsrepertoire aufnehmen. Die paraverbale Kommunikation oder Parasprache bezieht sich auf die Faktoren, die zwar das Sprechen begleiten, aber wichtige nichtsprachliche Mittel sind. Dazu gehört zum Beispiel die Tonhöhe, die Stimmlage, der Rhythmus und das Tempo unserer Stimme, die Artikulation und Resonanz. Das Lachen, Weinen, Schreien und Räuspern wird ebenfalls der paraverbalen Kommunikation zugeordnet und einige Forscher zählen auch gefüllte Pausen („um, ah, ooh und uh“) zum Repertoire der Parasprache. Die Sensibilisierung für die Parasprache und ihren Einfluss auf die Kommunikation kann wesentlich zum gegenseitigen Verständnis und dem Gelingen einer Kommunikation beitragen.
Soziale und persönliche Gepflogenheiten beeinflussen den Gebrauch und die Interpretation von Parasprache. So kann zum Beispiel lautes Sprechen während eines gewöhnlichen Gesprächs von einigen als Ausdruck von Stärke und Aufrichtigkeit wahrgenommen werden, während es für andere Autorität, Arroganz oder Unhöflichkeit bedeuten kann. Der häufige Gebrauch von um, ah, ooh und uh kann sowohl als Zeichen von Interesse, Aufmerksamkeit, Akzeptanz oder Bestätigung aber auch als Unsicherheit oder Schwäche interpretiert werden.
Angesichts der zunehmenden Verwendung des Englischen als Lingua franca haben die Auswirkungen von Aussprache und Akzent als Teil der paraverbalen Kommunikation an Bedeutung gewonnen. Aussprache und Akzent werden dabei häufig als Ausdruck der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen wahrgenommen. Daher spielen sie nicht nur eine wichtige Rolle dabei, wie jemand verstanden wird. Aussprache und Akzent beeinflusst auch, wie wir in einem sozialen Kontext wahrgenommen und beurteilt werden. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass Menschen, deren Akzent negativ bewertet wird, benachteiligt werden und dass ein Akzent, der positiv wahrgenommen wird, zu einer positiven Diskriminierung führen kann.
Aufgabe: Akzente
Schauen Sie sich das kurze YouTube-Video über Akzente an und überlegen Sie, ob Sie schon einmal in einer Situation waren, in der Ihr Akzent positiv oder negativ wahrgenommen wurde.
Video: Accents
Quelle: The Leadership Conference: "Accents" (Fair Housing PSA, sport produced by the Ad Council, HUD, and the Leadership Conference on Civil Rights Education Fund), 2008, URL: https://www.youtube.com/watch?v=84k2iM30vbY, Zugriff am 12.6.2024
Extraverbale Form der Kommunikation
Den letzten Aspekt der Kommunikation, den wir betrachten, ist die extraverbale Kommunikation. Sie bezieht sich auf die äußeren Faktoren, die eine Kommunikation beeinflussen und umfasst das, was man sehen und beobachten, anfassen und sogar riechen kann. Dazu gehören beispielsweise der Ort, die Kleidung und der Kontext, in dem eine Kommunikation stattfindet. Um den Einfluss der extraverbalen Kommunikation zu nutzen, gibt es Berufe oder Unternehmen, die von ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen entweder explizit oder implizit einen bestimmten Kleidungsstil erwarten. Dazu zählen Ärzte, Priester, Polizisten und Geschäftsleute, um nur einige Beispiele zu nennen. So wird gesagt, dass Ärzte häufig weiße Kittel tragen, weil diese Sauberkeit und Hygiene symbolisieren und sie dadurch einen vertrauensvollen Eindruck auf die Patientinnen und Patienten machen.
Die extraverbale und nonverbale Kommunikation lässt sich nicht immer klar voneinander abgrenzen, aber man könnte argumentieren, dass bei der extraverbalen Kommunikation bewusst visuelle Element wie z. B. Zeichnungen, Grafikdesign und Illustrationen eingesetzt werden. Im Gegensatz dazu erfolgt die nonverbale Kommunikation in der Regel unbewusst und unbeabsichtigt.
Während des eigentlichen Kommunikationsprozesses greifen die verschiedenen Elemente der Kommunikation ineinander, treten in den kommunikativen Handlungen gleichzeitig auf und beeinflussen sich gegenseitig. Wird dieser Prozess von einer gemeinsamen und gemeinschaftlich getragenen Konstruktion von Sinn und Bedeutung begleitet, sprechen wir von einer Ko-Konstruktion von Bedeutung, die wiederum die Grundlage einer sinnhaften und gemeinschaftlich getragenen sozialen Interaktion ist. Ko-Konstruktion ist ein dynamischer Prozess, der ständig stattfindet, wenn Menschen miteinander kommunizieren und interagieren.
Aufgabe: Nonverbale Kommunikation
Schauen Sie sich entweder das englischsprachige YouTube Video "Negative nonverbal communication" oder das deutschsprachige Video "Nonverbale Kommunikation im Alltag" an.
Zunächst möchten wir Sie bitten, sich das Gespräch einfach nur anzuhören, ohne sich das Video anzusehen (wir empfehlen, das Video auszublenden). Beurteilen Sie, ob und wenn ja, inwieweit eine gemeinsame Verständigung zwischen den Sprechern besteht. Notieren Sie in Ihrem Learning Journal drei Beispiele für eine gelungene bzw. misslungene Kommunikationssequenz und begründen Sie, warum Sie diese ausgewählt haben.
Sehen Sie sich in einem zweiten Schritt den Videoclip an und bewerten Sie die nonverbalen Aspekte der Kommunikation, die Sie in dem Video beobachten. Nennen Sie drei Beispiele für diese nonverbale Kommunikation, die das Zustandekommen eines gemeinsamen Verständnisses zwischen den Sprechenden behindern könnte, bzw. behindert. Notieren Sie diese ebenfalls in Ihrem Learning Journal.
Video: Negative nonverbal communication
Quelle: TheServiceChannel: Negative nonverbal communication, 2013, URL: https://www.youtube.com/watch?embed=no&v=N7lGqmZprx0, Zugriff am 6.8.2024
Video: Nonverbale Kommunikation im Alltag
Quelle: Eniqma Edition Trainingsvideos: Nonverbale Kommunikation im Alltag, 3 Positiv- und Negativbeispiele, 2012, URL: https://www.youtube.com/watch?v=a9rYGnFUswE, Zugriff am 6.8.2024
Der Kodierungs- und Dekodierungsprozess
Damit Kommunikation stattfinden kann, müssen Gedanken und Ideen zunächst kodiert und anschließend dekodiert werden. Kodierung bezieht sich auf den Prozess der Umwandlung von Gedanken und Ideen in nonverbale oder verbale Codes, damit sie weitergegeben werden können. Bei der Kodierung wählen wir verbale und nonverbale Zeichen aus und ordnen sie an, wobei wir uns an den uns bekannten sozialen Konventionen orientieren und daran, was in einer bestimmten Situation als angemessen und anwendbar angesehen wird.
Stellen Sie sich die Studentin June vor, die über den Campus geht und einen Kommilitonen sieht, mit dem sie sich angefreundet hat. Sie sieht, wie er sie anlächelt. Dies ist wahrscheinlich ein konventionalisiertes Zeichen und eine soziale Praxis aus seiner Sprachgemeinschaft, die einen freundlichen Gruß ausdrückt. Im Gegensatz dazu können andere soziale Konventionen und Praktiken darin bestehen, "Hallo!" über den Campus zu rufen oder die Hände vor die Brust zu nehmen und sich zu verbeugen.
Dekodierung bezieht sich auf den Prozess, durch den ein Kommunikator die empfangenen Zeichen in eine Bedeutung umwandelt oder übersetzt. Ähnlich wie beim Kodierungsprozess hängt die Interpretation und damit die Bedeutung, die der Empfänger oder die Empfängerin den empfangenen Codes beimisst, von einer Vielzahl von Faktoren ab. Zu diesen Faktoren gehören die gemeinsamen Konventionen der Kollektive, denen der Empfänger oder die Empfängerin angehört. Das Beispiel von June verdeutlicht dies. Wenn sie andere Konventionen gewohnt ist, könnte sie zum Beispiel das Lächeln als unangemessen empfinden und sich durch dieses nonverbale Verhalten eingeschüchtert fühlen.
Patitas Erfahrung als Praktikantin im Ausland ist ein weiteres Beispiel, das den Kodierungs- und Dekodierungsprozess veranschaulicht. An einem der ersten Tage in ihrer neuen Umgebung macht sie sich auf den Weg, um Lebensmittel einzukaufen. Da sie der Landessprache nicht mächtig ist, beschließt sie, auf die Produkte zu zeigen, die sie braucht. Sie möchte auch zwei Eier kaufen und zeigt dies mit den Fingern an. Zu ihrer Überraschung misst der Verkäufer ihrem Fingerzeig eine andere Bedeutung bei, so dass Patita am Ende acht Eier kauft. In diesem Fall waren die Praktikantin und der Verkäufer nicht in der Lage, ihre Botschaft so zu kodieren und zu dekodieren, dass sie für beide Seiten die gleiche Bedeutung hatte. Einige Wochen später lernte Patita, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, Zahlen mit den Fingern anzuzeigen.
Patitas Erfahrung als Praktikantin im Ausland ist ein weiteres Beispiel, das den Kodierungs- und Dekodierungsprozess veranschaulicht. An einem der ersten Tage in ihrer neuen Umgebung macht sie sich auf den Weg, um Lebensmittel einzukaufen. Da sie der Landessprache nicht mächtig ist, beschließt sie, auf die Produkte zu zeigen, die sie braucht. Sie möchte auch zwei Eier kaufen und zeigt dies mit den Fingern an. Zu ihrer Überraschung misst der Verkäufer ihrem Fingerzeig eine andere Bedeutung bei, so dass Patita am Ende acht Eier kauft. In diesem Fall waren die Praktikantin und der Verkäufer nicht in der Lage, ihre Botschaft so zu kodieren und zu dekodieren, dass sie für beide Seiten die gleiche Bedeutung hatte. Einige Wochen später lernte Patita, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, Zahlen mit den Fingern anzuzeigen.
Aufgabe: Zählen an den Fingern
Wie zählen Sie mit Ihren Fingern bis 10? Beginnen Sie mit dem Daumen oder dem Zeigefinger? Beginnen Sie mit der rechten oder linken Hand? Beginnen Sie mit der geschlossenen oder der offenen Hand? Sehen Sie sich das englischsprachige BBC-Video an und machen Sie sich mit einem System vertraut, mit dem Sie bis 20 zählen können.
Video: Counting on your fingers
Quelle: BBC Reel: How the way you count reveals where you're from, 2021, URL: https://www.youtube.com/watch?embed=no&v=g9S6qD_Wylw, Zugriff am 6.8.2024
Alternativ können Sie sich das deutschsprachige Video anschauen und etwas über die Unterschiede lernen, wie in der Regel in Deutschland und in China Zahlen mit den Fingern angezeigt werden.
Video: Mit Fingern bis 10 zählen... auf chinesisch!
Quelle: Lehrerschmidt: Mit Fingern bis 10 zählen... auf chinesisch!, 2021, URL: https://www.youtube.com/watch?v=7zK5JRh897k, Zugriff am 13.5.2024
Das verwendete Medium
Das Medium ist sozusagen das Vehikel, mit dem Informationen zwischen den Kommunikatoren transportiert werden. Es ist also das Mittel zur Übertragung. Verbale und nicht-verbale Zeichen wie Worte, Symbole und Töne sind solche Mittel. Wir beobachten die Mimik der Menschen und lesen Texte. Wir nutzen unsere fünf Sinne: die Augen zum Beobachten, den Mund zum Sprechen, die Hände zum Schreiben und die Haut zum Fühlen, die Ohren zum Hören und die Nase zum Riechen. Es ist wichtig, dass wir anerkennen, dass bei der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht alle diese Sinne aktiv sind, und dass unsere verbale Kommunikation von Mimik, Gestik, Stimme, Kleidung und vielen anderen Aspekten begleitet wird, wenn wir Nachrichten austauschen.
Aus medialer Sicht gehören zu den Kommunikationsmedien digitale Hilfsmittel, die die Kommunikation unterstützen, wie z. B. "Rich Media", d. h. Video- und Audiokonferenzen, sowie "Lean Media", d. h. E-Mails, Sofortnachrichten und Briefe. Bei der Kommunikation über Lean Media fehlen uns paraverbale Zeichen und Hinweise, und wir können nicht sofort die vollständige Reaktion des Empfängers auf unsere Botschaft wahrnehmen.
Art und Umfang von Störquellen
Unter Störquellen, im Englischen als „Noise“ bezeichnet, versteht man alle Formen von Rauschen, Lärm und Geräuschen, die unsere Fähigkeit, gut zu kommunizieren, beeinflussen können. Sie können den Kommunikationsprozess und die Wirksamkeit der Kommunikation beeinträchtigen und sowohl von internen als externen Quellen herrühren. Hierbei können physische, physiologische und psychologische Störquellen unterschieden werden.
Physische Störquellen beziehen sich auf Umgebungslärm und umfassen jede Art von externen Geräuschen oder Reizen, die den Kommunikationsprozess behindern können. So kann beispielsweise ein vorbeifahrendes Auto, das weinende Baby nebenan, der Lärm der einfahrenden U-Bahn, starker Regen oder laute Musik unser Telefongespräch stören. Selbst ein lästiges Flüstern oder das Geräusch von Papier, das auf den Boden fällt, kann uns bei einem konzentrierten Gespräch irritieren und die Fähigkeit zu kommunizieren beeinträchtigen.
Physiologische Störquellen beziehen sich auf die körperliche Verfassung der Gesprächspartner oder Gesprächspartnerinnen. So können zum Beispiel starke Kopfschmerzen eine Kommunikationssituation beeinflussen und Niesen oder Husten können ein Gespräch ebenso stören oder vom Gespräch ablenken wie ein leerer Magen.
Psychologische Störquellen beziehen sich auf Dinge, die in Ihrem Kopf vorgehen und Sie davon abhalten, gut zuzuhören. Psychologische Störquellen können von Gedanken herrühren, die jemanden beschäftigen, oder auch eine persönliche Voreingenommenheit, die jemand gegenüber dem Gesprächspartner oder der Gesprächspartnerin hegt. Eine psychologische Störquelle ist auch, wenn Sie beispielsweise das Gefühl haben, nicht zu Wort zu kommen, weil jemand ständig redet und Sie daher verzweifelt nach einer Gelegenheit suchen müssen, die Person zu unterbrechen.
Semantisches Rauschen bezieht sich auf eine Störung bei der Übermittlung einer Nachricht zum Beispiel aufgrund eines komplexen Sachverhaltes, einer ungewohnten Wortwahl oder Fachterminologie, ungewohnter Aussprache, dem Gebrauch von zweideutigen Wörtern oder unterschiedlicher Bedeutungen von Wörtern. All diese Probleme erschweren es dem Empfänger oder der Empfängerin, die Bedeutung des Gesagten zu erfassen. Die Kommunikation zwischen einem Patienten oder einer Patientin und einem Arzt oder einer Ärztin kann unter semantischem Rauschen leiden, wenn medizinisches Vokabular verwendet wird, das für Laien nur schwer oder gar nicht zu verstehen ist.
Der Kontext der Kommunikation
Kommunikation findet nicht im luftleeren Raum statt, denn Menschen kommunizieren immer in einem bestimmten Umfeld oder Gesamtkontext. Der Kontext ist ein entscheidender Faktor, der den Kommunikationsprozess beeinflusst, denn die Art und Weise, wie wir kommunizieren, ist situativ. Was in der Kommunikation geschieht, ist an Faktoren wie Zeit, Raum und die physische Umgebung sowie an die Rollen, den Status und die Beziehung zwischen den Kommunikatoren gebunden.
Stellen Sie sich vor, der Satz: "Du siehst toll aus” wird in den folgenden Situationen gesagt:
- Eine Frau sagt ihn auf einer Party zu einem Mann
- Ein Arzt sagt ihn zu seiner Patientin, die er nach einer langen Genesungsphase wieder trifft
- Eine Frau sagt ihn zu ihrer Freundin, die sie nach einem Friseurbesuch trifft
Die Wörter bleiben dieselben, aber die Bedeutung des Satzes ändert sich aufgrund des Kontextes.
Die Reaktion oder das Feedback der Kommunikatoren
Wir erhalten ständig eine Reaktion auf das Gesagte oder Geschriebene. Man könnte dies als "Feedback" bezeichnen oder als die Rückmeldung an den Initiator oder die Initiatorin. Dabei handelt es sich um einen ständigen Informationsstrom, der es unserem Gegenüber ermöglicht, die Kommunikation zu verstehen, zu beurteilen und zu interpretieren, während sie stattfindet. Die Reaktion auf eine Nachricht ist daher ein wichtiger Bestandteil des Kommunikationsprozesses, denn sie ermöglicht es den Menschen, ihre Performance zu überprüfen. So können wir zum Beispiel unserer Chefin zulächeln, wenn sie ihre Zufriedenheit mit unserer Arbeit zum Ausdruck bringt, oder mit den Schultern zucken, wenn wir kritisiert werden. Feedback kann also positiv oder negativ sein und wir können alle unsere Sinne nutzen, um Feedback zu empfangen und zu senden. Die Reaktion des einen Kommunikators oder der Kommunikatorin hat Einfluss auf den anderen Kommunikator oder die Kommunikatorin, denn sie verleiht der Kommunikationssequenz ihren dynamischen Charakter. Auf diese Weise verhandeln, entwickeln und tauschen wir Bedeutung aus.
Die Ko-Konstruktion von Bedeutung und das Ergebnis der Kommunikation
Wir sind in dieser Lerneinheit bereits auf den Begriff der gemeinsamen Bedeutung gestoßen. Im Allgemeinen bezieht sich die Bedeutung auf das, was ein Wort, eine Geste oder eine Äußerung bedeutet und wie sie interpretiert werden sollte. Wir gehen in der Regel davon aus, dass unsere Worte und andere Zeichen, mit denen wir Gedanken, Gefühle und Einstellungen weitergeben, genau in der von uns beabsichtigten Weise übermittelt und verstanden werden. Dies ist jedoch nicht unbedingt der Fall.
Wir haben auch argumentiert, dass Kommunikation kontextabhängig ist. Das bedeutet, dass der Kontext oder das spezifische Umfeld, in dem die Kommunikation stattfindet, einen Einfluss auf die Wortwahl hat und auch darauf, wann und wie man spricht oder schreibt. Wenn wir das Büro unseres Chefs oder unserer Chefin betreten und um eine Krankschreibung bitten, sagen wir vielleicht: "Bitte entschuldigen Sie, aber ich habe heute starke Kopfschmerzen“. Wenn wir jedoch mit unseren Kollegen und Kolleginnen im Pausenraum sprechen, sagen wir vielleicht eher: "Oh verflixt, mir ist richtig elend... ich habe heute lausige Kopfschmerzen". Abgesehen davon, wie der Absender oder die Absenderin die Worte wählt, die er oder sie mitteilen möchte, beeinflusst auch das Umfeld oder der Kontext die Interpretation des Gesagten. Der Kontext kann der Nachricht sogar eine zusätzliche Bedeutung verleihen oder die Bedeutung eines bestimmten Wortes verdeutlichen. Die folgende E-Mail ist ein Beispiel dafür.
Sie lautet:
She has arrived.
Rachel Hogan Murray
6 lbs 7 oz
1:06 am
Sie können die Nachricht vielleicht interpretieren und vermuten, dass jemand die Geburt eines Kindes ankündigt, das Rachel heißt, 6 Pfund und 7 Unzen (2.920 Gramm) wiegt und um 1:06 Uhr geboren wurde. Wir können dies tun, weil es eine gesellschaftliche Konvention ist, einer solchen Ankündigung das Gewicht und die Uhrzeit der Geburt hinzuzufügen. Wenn man mehr über den Kontext weiß, in diesem Fall, dass die Mutter Zwillinge erwartete und eine schwierige Schwangerschaft durchmachte, erhält die Nachricht eine zusätzliche Bedeutung, die ein Freund durch seine Antwort zum Ausdruck brachte:
"OMG! Congratulations. You were so very right when you wrote Happy Day."
OMG steht hier für „Oh My God“, ein Akronym aus der englischen Sprache das gerne genutzt wird, wenn man sich über etwas sehr freut und etwas ganz aufregend ist. Der Satz lässt sich übersetzen mit:
"Oh mein Gott! Herzlichen Glückwunsch. Du hattest so sehr recht, als du geschrieben hast, dass heute ein glücklicher Tag ist."
Das bedeutet, dass in der Kommunikation die Bedeutung nicht allein in den Worten liegt, sondern von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst wird, einschließlich des situativen Kontextes. Wir könnten auch argumentieren, dass es eine Lücke zwischen dem, was der Sprecher oder die Sprecherin vermitteln will, und dem, was ankommt, geben kann. Und genau diese Lücke zwischen dem, was gedeutet wird, und dem, was gemeint ist, muss geschlossen werden, damit die Kommunikation als erfolgreich und zufriedenstellend empfunden wird. Sie ist wie ein fehlendes Glied, das eine Voraussetzung für die darauffolgende Handlung ist.
Aus den obigen Ausführungen geht hervor, dass Kommunikation interaktiv ist, d. h. sie ist ein fortlaufender Prozess der gemeinsamen Nutzung, des Austauschs und der Koordinierung von Bedeutungen. Beide Personen, die kommunizieren sind aktiv und kontinuierlich in den Interaktionsprozess involviert und beeinflussen somit gegenseitig die Kommunikation und ihr Ergebnis.
Sie könnten zum Beispiel Ihr Büro betreten und Ihrem Kollegen mit einem Lächeln auf dem Gesicht "Guten Morgen" sagen. Vielleicht lächeln Sie, weil Sie sich an das positive Ergebnis einer Verhandlung erinnern, an der Sie am vorherigen Tag gemeinsam beteiligt waren. Wenn die andere Person Ihr Lächeln sieht, hebt sie vielleicht den Daumen, um ihre Zustimmung zu zeigen, was Sie als Bestätigung interpretieren. Das könnte Sie noch mehr zum Lächeln bringen und Sie ermutigen, zu sagen: "Das haben wir gestern wirklich gut gemacht!“ Dies unterstreicht den interaktionellen Aspekt der Kommunikation, der eine Bewegung und Gegenbewegung der kommunizierenden Personen beinhaltet, während sie sich beide aktiv an der gemeinsamen Produktion einer sinnvollen Interaktion beteiligen. Hier ist offensichtlich, dass die verbalen und nonverbalen Zeichen von beiden auf die gleiche Weise verstanden wurden.
Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Aus diesem Grund müssen wir uns bewusst sein, dass sich die Bedeutung dessen, was gesagt wird und dessen, was aufgenommen und wahrgenommen wird unterscheiden kann und deshalb hinterfragt werden muss. Immer dann, wenn sich zwischen dem, was gesagt wird und dem was gemeint oder interpretiert wird eine Lücke auftut, sind zusätzliche Anstrengungen zur Ko-Konstruktion von Bedeutung erforderlich. Unter Ko-Konstruktion versteht man die gemeinsame Schaffung von Bedeutung oder die Klärung dessen, wie eine Botschaft verstanden werden soll. Mit anderen Worten: Die Kommunikatoren und Kommunikatorinnen müssen den Sinn und die Bedeutung ihrer Interaktionen durch einen Aushandlungsprozess herausfinden. Das Ergebnis einer solchen Aushandlung könnte so aussehen:
- Die verbalen und nonverbalen Botschaften, die ausgetauscht werden, haben für alle am Kommunikationsprozess beteiligten Personen die gleiche Bedeutung
- Jeder und jede versteht, wie die Wörter verwendet werden und wie sich die Verwendung unter den an der Kommunikation beteiligten Personen unterscheidet
- Die an der Kommunikation beteiligten Personen haben ein gemeinsames Verständnis entwickelt, das sie in die Lage versetzt, die Sichtweise des anderen gut genug zu verstehen, um sie zu akzeptieren
Das Ziel der Kommunikation, nämlich zu einer gemeinsamen Bedeutung zu gelangen oder eine gemeinsame Bedeutung herzustellen, wird nicht immer erreicht. Wenn wir uns missverstanden fühlen, gehen wir vielleicht einfach weg und schimpfen mit uns selbst. Wenn die gemeinsame Schaffung von Bedeutung scheitert und jemand zum Beispiel die Kommunikation abbricht, können wir dies als "unerledigte Aufgabe" betrachten, weil wir nicht wissen, ob oder wann die Kommunikationssequenz fortgesetzt werden könnte.
Die Betrachtung der Kommunikation aus dieser Perspektive legt nahe, dass alle an der Kommunikation beteiligten Personen für das Ergebnis der Kommunikation verantwortlich sind, da alle Informationen übermitteln, Bedeutung schaffen und Antworten hervorrufen. Sie impliziert auch, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu einer gegenseitigen Einigung über die Bedeutung ihrer Botschaften gelangen müssen, damit die Kommunikation als effektiv wahrgenommen und ihre Beziehung als zufriedenstellend angesehen werden kann. Die Ko-Konstruktion von Bedeutung kann daher auch als Grundlage und Voraussetzung für alle mit dem Kommunikationsprozess verbundenen Handlungen angesehen werden. Diese Handlung könnte zum Beispiel beinhalten, jemanden zu bitten, etwas für uns zu tun.
Aufgabe: Wie es zu Missverständnissen kommt (und wie man sie vermeidet)
Sehen Sie sich den TED-Vortrag von Katherine Hampsten an und notieren Sie in Ihrem Learning Journal die erwähnten Praktiken, die die gemeinsame Schaffung von Bedeutung und das Erreichen eines gemeinsamen Verständnisses unterstützen.
Wie es zu Missverständnissen kommt (und wie man sie vermeidet)
Quelle: TED-Ed, Katherine Hampsten, 2016: How miscommunication happens (and how to avoid it). URL: https://www.youtube.com/watch?v=gCfzeONu3Mo (englisches Video, deutsche oder englische Untertitel verfügbar), Zugriff am 6.8.2024