Es existiert eine Vielzahl von Definition und Beschreibungen zu interkultureller Kompetenz. Und tatsächlich, wenn wir kurz über den Begriff nachdenken, fallen uns Assoziationen wie interkulturelle Kommunikation, interkulturelles Bewusstsein, interkulturelle Sensibilität, kulturelle Intelligenz, Anpassung und vielleicht sogar Weltbürgertum ein. Für unseren Ansatz brauchen wir ein Verständnis von interkultureller Kompetenz, welches dem dynamischen Ansatz von Kultur als soziale Praxis gerecht wird und einen praktischen Ansatz verfolgt. Das bedeutet, dass sich unser Verständnis von Kompetenz auf ein Verhaltensrepertoire und damit auf eine Reihe und Vielfalt von Verhaltensweisen und zielgerichteten Handlungen bezieht, die er oder sie ausführen kann, sowie auf die Ergebnisse, die damit erzielt werden können.

Dieser Ansatz folgt im Wesentlichen der Definition von Kompetenz von Kurz und Bartram (2002), die feststellen: "Eine Kompetenz ist nicht das Verhalten oder die Leistung selbst, sondern das Repertoire an Fähigkeiten, Aktivitäten, Prozessen und verfügbaren Reaktionen, die es ermöglichen, dass eine Reihe von Arbeitsanforderungen von einigen Menschen effektiver erfüllt werden kann als von anderen" (Kurz/Bartram 2002, S.230, Übersetzung). Kompetenz kann also verstanden werden als die Befähigung, etwas zu tun. Kurz und Bartram verwenden das Beispiel eines Musikers, der über ein Repertoire an Stilen und Inhalten verfügt, die es ihm ermöglichen, auf eine bestimmte Weise aufzutreten. Sie bezeichnen die Aufführung als "choreographierten Verhaltensfluss". Die Kompetenz des Musikers bezieht sich auf seine Leistungsfähigkeit und die Fähigkeit, Wissen und Fertigkeiten von einer Arbeitsaufgabe und damit einem Kontext auf einen anderen zu übertragen.

Angewendet auf Interkulturalität und somit auf Situationen, denen es an Vertrautheit, Routine und Plausibilität mangelt, bedeutet dies, dass wir Kompetenzen benötigen, die uns in die Lage versetzen, "ein Gefühl der Normalität oder Vertrautheit zu schaffen, das die Angst, Stereotypisierung, negativen Zuschreibungen und den In-Out-Gruppen-Mechanismus neutralisiert, die der interkulturelle Raum hervorrufen kann" (Verdooren 2014, S. 19). Mit anderen Worten: Interkulturalität erfordert Kompetenzen, die die beteiligten Personen in die Lage versetzen, Verbindungen und einen gemeinsamen Raum zu schaffen, der dann zur weiteren Sondierung und Aushandlung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden genutzt werden kann. Interkulturelle Kompetenz kann demnach als die Fähigkeit verstanden werden, Interaktionen so zu gestalten, dass sie wahrscheinlich zu einem angemessenen und wirksamen Ergebnis führen.

Obwohl das Verständnis von interkultureller Kompetenz in Nuancen variiert, beziehen sich die aktuellen Theorien und Modelle im Allgemeinen auf die drei Dimensionen Wissen, Fähigkeiten und Einstellung. Unter Einstellung wird die Bereitschaft und Offenheit verstanden, mit unterschiedlichsten Personen zu interagieren, und ist somit eine Voraussetzung für eine konstruktive Zusammenarbeit. Man könnte auch sagen, dass das Bewusstsein für den Einfluss von Kultur auf das Verhalten und die Kommunikation eng mit der Einstellung verbunden ist. Ich kann zwar eine offene Einstellung haben, aber wenn ich mir der Probleme, die eine Interaktion beeinträchtigen, nicht bewusst bin oder nicht sensibel damit umgehe, bringt mir die Einstellung selbst nicht sehr viel. Sensibilität umfasst Aspekte wie Offenheit, Einfühlungsvermögen, Neugierde und Flexibilität. Die Dimension der Fähigkeiten bezieht sich darauf, etwas tun zu können, und umfasst das Beobachten, Bewerten, Wechseln der Perspektive, Reflektieren und Verarbeiten von erworbenem Wissen. Die letzte Dimension bezieht sich auf das Wissen und umfasst das Wissen über soziale Prozesse, das Wissen darüber, wie andere Menschen sich selbst sehen sowie allgemeines landes- und kulturspezifisches Wissen.

Wenn gleich es, wie Sie sehen werden, zuweilen schwierig ist, die drei Dimensionen abzugrenzen und wir eher der Ansicht sind, dass alle drei miteinander verbunden sind, ist es doch hilfreich, interkulturelle Kompetenz auf diese Weise zu konzeptualisieren. Dies ist deshalb so, weil die drei Dimensionen als Rahmen für die Bewertung dessen, was wir bereits erreicht haben und für die Festlegung von Bereichen, die wir weiterentwickeln wollen, herangezogen werden können. Schauen wir uns ein sehr schlichtes Beispiel an. Vielleicht sind Sie sehr daran interessiert, Ihr Praktikum in Shanghai zu absolvieren, und möchten sich auf Ihre Reise vorbereiten. Sie lernen sehr gut, wie man mit Stäbchen isst, weil Sie erfahren haben, dass dies in China die übliche Art zu essen ist. Indem Sie lernen und üben, wie man mit Essstäbchen isst, entwickeln Sie Fachwissen und Fähigkeiten. Der Teil "Wissen" bezieht sich also auf allgemeine Informationen über das Land, der Teil "Fähigkeiten" auf das Verwenden der Essstäbchen und der Aspekt "Einstellung" auf Ihre Bereitschaft und Offenheit, Neues zu entdecken. Und weil Sie auch über Ihr Wissen nachdenken und wissen, dass diese Informationen nicht verallgemeinert und als absolut angesehen werden sollten, sind Sie nur wenig überrascht, dass Sie bei der Einladung zum Essen mit Ihrem neuen Chef Essstäbchen, einen Löffel und einen Plastikhandschuh bekommen haben. Auf die Frage, wann Sie den Plastikhandschuh benutzen sollen, wird Ihnen gesagt, dass Sie ihn benutzen können, um die Entenkeule mit den Händen zu essen.

Das nächste Beispiel verdeutlicht ebenfalls die Interdependenz der drei Komponenten. Möglicherweise haben Sie gelernt, dass in manchen Unternehmenskulturen eine Besprechung mit ausgedehnten Smalltalk-Gesprächen beginnen kann. Aber das bloße Wissen darüber hilft Ihnen nicht, mit solchen Situationen umzugehen, wenn Sie damit nicht vertraut sind. Und Sie müssen auch die Bereitschaft und Offenheit mitbringen, solche Situationen gut zu meistern.

Vor diesem Hintergrund und unter Bezugnahme der drei Dimensionen wollen wir nun Ihr Kompetenzrepertoire erkunden.

 
Aufgabe: Mein Repertoire an interkultureller Kompetenz

Denken Sie an die Lerneinheiten zurück, die Sie bereits durchgearbeitet haben, sowie Ihre Lebens- und Sozialisationserfahrungen. Notieren Sie dann stichwortartig, welche Art von (kulturellem) Wissen Sie bereits erworben und welche Fähigkeiten Sie bisher entwickelt haben. Einstellungen oder innere Disposition und Motivation sind Aspekte interkultureller Kompetenz, die schwer zu lehren und zu erlernen sind. Beziehen Sie sich im Hinblick auf diese Aspekte bitte einfach auf das, was Sie persönlich mit diesen Begriffen verbinden.

Abbildung: §§§

Die drei Dimensionen interkultureller Kompetenz

Durch die Verknüpfung dieser drei Dimensionen werden die Grundlagen und Fähigkeiten geschaffen, eine gemeinsame Verständnisbasis zu entwickeln und eine gemeinsame Kultur auszuhandeln. Daraus folgt auch, dass interkulturelle Kompetenz die Fähigkeit unterstützt, interkulturelle Begegnungen zu gestalten und etwas daraus entstehen zu lassen.


Modifié le: jeudi 5 septembre 2024, 16:06