Anwendungsaufgabe 1: Die #MeToo-Bewegung als Beispiel für ein glokales, sprunghaftes und eigendynamisches Ereignis

Anwendungsaufgabe 1: Die #MeToo-Bewegung als Beispiel für ein glokales, sprunghaftes und eigendynamisches Ereignis

von Susanne Abdennouri -
Anzahl Antworten: 1


Als ich im Videokurs das H&M – Beispiel gesehen habe und als Maja uns anhand dieses Beispels die Einführung in glokale Phänomen gegeben hat, musste ich sofort an die #MeToo-Bewegung denken. Ich erinnere mich noch an den Moment 2017, als plötzlich überall dieser Hashtag auftauchte. Viele Frauen teilten ihre persönlichen Erfahrungen mit sexueller Belästigung oder Gewalt. Innerhalb weniger Tage war das Thema auf der ganzen Welt präsent. Für mich war das einer dieser Momente, in denen man spürt, dass sich wirklich etwas verändert.

Wenn ich nun versuche eine relationale Perspektive dazu einzunehmen, sehe ich, wie viele Akteur:innen in diesem Geschehen miteinander verbunden waren. Auf der einen Seite standen einzelne Frauen, die ihre Stimme erhoben und den Machtmissbrauch anprangerten. Auf der anderen Seite spielten auch Prominente, Journalist:innen, soziale Netzwerke und Medienhäuser eine große Rolle. Ohne Plattformen wie Twitter / „X“ oder Instagram wäre diese Bewegung wahrscheinlich nie so groß geworden.

Auch der Aspekt der Eigendynamik ist hier deutlich zu erkennen: #MeToo wurde nicht von einer Organisation gesteuert, sondern hat sich zu einer Welle entwickelt, die von selbst Fahrt aufgenommen hat. Jede Person, die ihre Geschichte erzählte, ermutigte andere, das Gleiche zu tun. Dadurch entstand eine Art Netz aus Stimmen.

Aus einer relationalen Perspektive betrachtet kann man also sagen, dass #MeToo ist ein Beziehungsgeflecht ist. Da sind Menschen, Medien, Institutionen, aber auch digitale Algorithmen, die beeinflussen, was sichtbar wird. Alle wirken zusammen und schaffen eine Dynamik, die sich nicht planen lässt.

Auch der interkulturelle Aspekt ist spannend. Zwar war der Auslöser in den USA, doch die Bewegung nahm in jedem Land eine eigene Form an. In Frankreich hieß sie #BalanceTonPorc („Verpfeif dein Schwein“), in Indien #MeTooIndia, in China („Ich auch“). Die Botschaft blieb weltweit verständlich, aber die Umsetzung war lokal geprägt. Das zeigt, wie eng Globales und Lokales heute miteinander verwoben ist und wie sich dadurch auch Machtdynamiken verschieben: Jede einzelne Frau ist aus ihrer einstigen Opferrolle entstiegen und durch das Anprangern des Unrechts, das ihr geschehen ist, ist sie, aber auch die ganze Bewegung in die machtvollere Position gekommen. Ganz konkret zeigte sich das in der Verhaftung zahlreicher Akteure und in den vielen Prozessen. Aber auch in privaten Räumen hat die Bewegung sicher weltweit viel bewegt und Frauen mehr Stärke verliehen.

 


Als Antwort auf Susanne Abdennouri

Re: Anwendungsaufgabe 1: Die #MeToo-Bewegung als Beispiel für ein glokales, sprunghaftes und eigendynamisches Ereignis

von Valentina Ly -
Zunächst erstmal vielen Dank für deinen Beitrag. Soweit stimme ich mit deiner Einschätzung überein.

Ich möchte dein Beispiel gerne ergänzen, da die #MeToo-Debatte bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Obwohl diese Debatte im Jahr 2017 in den USA viral ging, trug sie in Deutschland dazu bei, dass in der Gesellschaft ein stärkeres Bewusstsein für Gewalt im Alltag gegen Frauen entstanden ist. Dieses Thema wird nun nicht mehr als „Privatangelegenheit“ abgetan.

Dadurch, dass in den letzten Tagen die aktuellen Zahlen zur häuslichen Gewalt veröffentlicht wurden, ist erneut eine Diskussion über die Sicherheit von Frauen ausgebrochen. Das mag vor allem daran liegen, dass die Zahl der weiblichen Opfer einen traurigen Höchststand erreicht hat.

In diesem Zusammenhang müssten sowohl die Akteurinnen und Akteure als auch Akteursfelder erweitert werden. Hinzu kommen das familiäre Umfeld, etwa Freund, Partner oder Ehemann, die Politik, das Justizsystem, niedrigschwellige Anlaufstellen für Frauen, Frauenhäuser usw.

Ich finde genauso wie du, dass diese Debatte u.a. eine nachhaltige Wirkung auf die deutsche Gesellschaft gezeigt hat. In der jüngsten Vergangenheit gab es zum Beispiel auch Diskussionen darüber, Catcalling und Voyeur-Aufnahmen unter Strafe zu stellen, da beide Delikte ohne entsprechende gesetzliche Grundlage nicht strafrechtlich geahndet werden können. Es ist zu erkennen, dass immer mehr Frauen nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Frauen einstehen und sich nicht mehr in eine „Opferrolle“ zurückziehen, wie auch schon in deinem Beispiel erwähnt. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass es weiterhin Zeit, Maßnahmen, staatliche finanzielle Unterstützung und vieles mehr braucht, um auch in Zukunft nachhaltig etwas zu bewirken.

Die ehemals in den USA als #Metoo gestartete Debatte hat in Deutschland viele verschiedene Ausprägungen angenommen, was zeigt, dass sich die Gesellschaft im Wandel befindet und sich immer intensiver mit unterschiedlichen kritischen Themen in Bezug auf Frauen auseinandersetzt. Wie es sich in anderen Ländern entwickelt hat, kann ich leider nicht beurteilen.

Noch eine kleine Anmerkung zum Schluss: Der Hashtag metoo wurde in China phonetisch zum Hashtag 米兔 (Aussprache: mǐ tù; wörtlich: „Reis-Hase“). Wie weithin bekannt, herrscht in China eine strenge Internetzensur. Kritische Beiträge führen nicht nur zur sofortigen Löschung, sondern auch zum Entfernen des jeweiligen Accounts. Um sich etwas Zeit vor der Zensur zu verschaffen, bedient sich die chinesische Internet-Community einer Vielzahl von Homophonen. Auf diese Weise ist es anderen Nutzerinnen und Nutzern möglich, einen Screenshot des Posts zu machen und ihn weiterzuverbreiten, sodass die Debatte nicht vollständig verschwindet bzw. totgeschwiegen wird.