Die Gen Z-Proteste als Beispiel für ein sprunghaftes und eigendynamisches glokales Ereignis

von Theresa Dabla -

Dieses Jahr gab und gibt es in verschiedenen Ländern (z.B. Marokko, Kenia, Madagaskar, Bangladesch, Nepal) von jungen Menschen initiierte und geführte Demonstrationen und Proteste, die sogenannten Gen Z-Proteste, die mir wie ein aktuelles Beispiel für ein sprunghaftes und eigendynamisches glokales Ereignis vorkommen.

Die Proteste sind lokal begründet und prangern oft spezifische lokale Missstände an, z.B. Polizeigewalt und soziale Ungleichheit in Kenia, hohe Arbeitslosigkeit und schlechte öffentliche Versorgung in Marokko, Zensur und Verbot von Social Media-Plattformen in Nepal. Gleichzeitig wird an eine globale Generationenzugehörigkeit appelliert und sind die Themen global relevant und knüpfen an eine generelle Frustration der jungen Generation mit politischen Eliten und wirtschaftlich-sozialen Umständen an. Andersherum gesagt, werden globale Probleme lokal ausgetragen und mit lokal unterschiedlichen Schwerpunkten („glokal“).

Die Mobilisierung und Vernetzung geschieht zu einem großen Teil auf digitalen Medien, sodass lokale Protestbewegungen quasi in Echtzeit global wahrgenommen werden können und sodass Generationsangehörige in anderen Ländern sich solidarisieren oder mobilisieren lassen können. All dies geschieht spontan und ohne zentrale Führung („sprunghaft“ und „eigendynamisch“). Die Dynamik ist oft, dass ein lokales Ereignis (z.B. ein Fall von Polizeigewalt oder ein Social Media-Verbot) Empörung auslöst, oft zunächst online, dann junge Menschen aktiviert. Es kommt zur Massenmobilisierung und Öffentlichkeit wird erzeugt, was wiederum weitere Gruppen mobilisieren kann. Im digitalen Raum wird all dieses beschleunigt mit laufend neuen Bildern und Forderungen. Die Medien berichten und staatliche Institutionen reagieren. Je nachdem wie sie reagieren (z.B. Repression oder Dialog), entspannt sich die Beziehung zu den Protestierenden weiter.

Die Akteur*innen sind in erster Linie junge Menschen – sie sind unterschiedlich (z.B. Schüler*innen, Studierende, junge Berufstätige, Arbeitslose oder informell Beschäftigte), haben aber auch Gemeinsamkeiten (z.B. „digital natives“, frustriert durch Unsicherheit und fehlende Chancen und mit politischen und wirtschaftlichen Eliten). Andere Akteure sind staatliche Institutionen, digitale Plattformen, Medien, zivilgesellschaftliche Gruppen, die internationale Öffentlichkeit inkl. die Diaspora der Länder, in denen die Proteste stattfinden.

Was Beziehungen betrifft, stehen im Zentrum die Beziehungen der jungen Protestierenden –in erster Linie wohl die zum Staat. Ich vermute einen gewissen Wandel in der Beziehung zwischen Staatsbürger*innen dieser Länder und den Staaten: Die jungen Menschen wollen nicht mehr passiv Hinnehmende sein, sondern stellen Forderungen an den Staat. Auf der anderen Seite steht die Beziehung der jungen Protestierenden zu digitalen Plattformen und traditionellen Median und zu zivilgesellschaftlichen Organisationen. Dass die internationale Öffentlichkeit erreicht wird, ist wichtig, da auch diese wiederum Auswirkungen auf den Staat und die lokale Politik haben kann (z.B. Repressionen erschweren und somit die Bewegung schützen).  

Fallstudie: Die „Stadtbild“-Aussage von Kanzler Merz als glokales Ereignis

von Marie-Joseph Gomis -

Im Herbst 2025 löste Bundeskanzler Friedrich Merz mit einer Aussage über das „Stadtbild“ eine breite Diskussion aus, die sich innerhalb weniger Stunden von einem politischen Moment zu einem sprunghaften und eigendynamischen Ereignis entwickelte [1]. Merz sagte, im „Stadtbild“ deutscher Städte gebe es weiterhin „Probleme“, die verstärkte Rückführungen notwendig machten [1]. Obwohl der Begriff an sich neutral wirkt, führte seine Verbindung mit Migration dazu, dass viele Menschen ihn als Anspielung auf sichtbar migrantische Gruppen verstanden [2]. Die Reaktionen zeigen, wie stark politische Sprache globale Diskurse aufgreifen kann und gleichzeitig lokal sehr unterschiedliche Bedeutungen bekommt.

Sprunghaftigkeit.
Die Aussage verbreitete sich schnell über soziale Medien [1]. Journalist:innen, Aktivist:innen, Politiker:innen und migrantische Organisationen kommentierten den Ausschnitt und ordneten ihn ein [2, 3]. Innerhalb kürzester Zeit entstanden Proteste, unter anderem in Kiel, wo sich rund 1.500 Menschen versammelten [4]. Die Geschwindigkeit, mit der sich Kommentare, mediale Beiträge und zivilgesellschaftliche Reaktionen gegenseitig verstärkten, macht die sprunghafte Dynamik deutlich: Ein kurzer Satz löste eine bundesweite Diskussion aus.

Eigendynamik.
Die Debatte entwickelte sich unabhängig vom ursprünglichen politischen Anlass weiter. Statt bei der Frage nach Abschiebungen zu bleiben, rückten plötzlich Themen wie Alltagsrassismus, Zugehörigkeit und die Wirkung politischer Begriffe in den Mittelpunkt [2, 5]. In Medien und sozialen Netzwerken wurde diskutiert, wie Sprache bestimmte Gruppen markiert und welche gesellschaftlichen Bilder dadurch entstehen [2]. Der Begriff „Stadtbild“ bekam so eine neue Bedeutung, die nicht durch Merz selbst festgelegt wurde, sondern durch die vielen Reaktionen darauf [1, 2].

Glokale Verflechtungen.
Die Diskussion lässt sich als glokal bezeichnen, weil sie globale Diskurse über Migration, Diversität und die Frage „Wer gehört dazu?“ aufgreift und in lokalen Kontexten konkret macht [2, 5]. Verschiedene Gruppen verstanden die Aussage sehr unterschiedlich: Für manche war sie ein Hinweis auf reale Herausforderungen im öffentlichen Raum [3], für viele Menschen mit Migrationsgeschichte wirkte sie wie eine Infragestellung ihrer Zugehörigkeit [2]. Städte wie Berlin, Köln oder Frankfurt wurden zu wichtigen Schauplätzen der Reaktion [4]. Dadurch zeigt sich glokale Interpretationen: Globale Themen bekommen ihre konkrete, oft emotionale Bedeutung erst durch lokale Erfahrungen und Perspektiven.

Relationale Perspektive.
Aus einer relationalen Perspektive treffen in der Debatte verschiedene Akteur:innen aufeinander und beeinflussen sich gegenseitig:

  • Politische Akteure, insbesondere Friedrich Merz und andere Regierungs- und Oppositionsvertreter:innen, die auf die Debatte reagierten und ihre eigene Interpretation in den Diskurs einbrachten.[1, 6, 7]
  • Migrantische Communities, die die Aussage als Angriff auf ihre Zugehörigkeit empfanden und online wie offline Widerstand artikulierten.[2]
  • Medien, die durch ihre Berichterstattung die Reichweite und Deutung der Aussage stark verstärken. [1, 2, 3]
  • Zivilgesellschaftliche Gruppen, wie antirassistische Initiativen, Stadtteilgruppen und NGOs, die durch Proteste lokales Handeln sichtbar machen.[4]
  • Digitale Öffentlichkeiten, u.a. Nutzer:innen auf X/Twitter, Instagram und Facebook, Diskurse global verknüpften (z. B. Othering, Racialization) und die Debatte beschleunigten.

Durch diese vielfältigen Beziehungen entsteht ein Zusammenspiel, das die Debatte weit über ihren Ursprung hinaus trägt. Die „Stadtbild“-Aussage zeigt damit deutlich, wie politische Sprache Entwicklungen anstoßen kann, die sich in einer vernetzten Welt sprunghaft ausbreiten und eine eigene Dynamik entfalten – gleichzeitig global anschlussfähig und lokal besonders wirksam.

Durch diese Vernetzung entsteht ein relationales Gefüge, in dem globale Deutungsmuster und lokale Erfahrungen gegenseitig Resonanz erzeugen. Die Merz-„Stadtbild“-Äußerung ist damit ein exemplarisches Beispiel für ein sprunghaftes, eigendynamisches und glokales Ereignis.

 


Quellenliste (nummeriert)

[1] Deutschlandfunk. (2025, 23. Oktober). Migrationsdebatte: Merz’ Problem mit dem „Stadtbild“. https://www.deutschlandfunk.de/friedrich-merz-stadtbild-migration-diskussion-100.html

[2] Spiegel. Çelik, C. (2025, 22. Oktober). Wenn der Kanzler über das Stadtbild spricht, fühlen sich Menschen wie ich gemeint. https://www.spiegel.de/politik/stadtbild-debatte-was-friedrich-merz-in-der-migrantischen-community-ausloest-a-df9e4fd9-e7ac-487d-94ec-bd2676481430

[3] Spiegel. Müller, A.-K. (2025, 22. Oktober). Thema verfehlt, Herr Bundeskanzler.

[4] Welt. (2025, 21. Oktober). Töchter-Demos gegen Merz - Kanzler hält alles für geklärt.

[5] Tagesschau.de. Grasnick, B.(2025, 17. Oktober). Analyse des „Stadtbild“-Begriffs in der politischen Kommunikation. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/merz-stadtbild-migration-100.html

[6] Tagesschau.de. Spahn, J. (2025,26. Oktober). Der Bundeskanzler spricht aus, was die Mehrheit denkt.

[7] Kretschmer, M. (2025, Oktober). Michael Kretschmer verteidigt Merz. Der Spiegel.


Anwendungsaufgabe 1 / Fridays for Future

von Corinne Moreau -

Ich möchte mich mit der Bewegung Fridays for Future (FFF) als glokales Ereignis beschäftigen und beziehe mich dabei explizit auf die ersten Jahre (ca. 2018-2020), möchte also die Eskalation / Veränderung von FFF seit Beginn des Gaza Konflikts aussparen.

Fridays for Future setzt sich weltweit für den Klimaschutz ein. Jeden Freitag streikten in den Anfangsjahren vor allem sehr junge Menschen, Schüler und Unterstützende zur Schulzeit dafür, dass die Klimaziele eingehalten werden, die die Staaten im UN-Weltklima-Abkommen 2015 (Pariser Abkommen) beschlossen haben. Der Ursprung der FFF Bewegung geht zurück auf die Schülerin Greta Thunberg aus Schweden. Sie streikte 2018 während der regulären Schulzeit zunächst allein viele Wochen lang vor dem schwedischen Parlament. In Folge schlossen sich ihr immer mehr Schülerinnen und Schüler auf der ganzen Welt an.

Die Proteste und die Bereitschaft der Unterstützer:innen von FFF weltweit, ihr Konsumverhalten zu ändern, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, veränderte zum einen ihre eigenen Handlungsstrukturen aber nach und nach auch das Bewusstsein in anderen Teilen der Gesellschaft.

Sie reduzierten beispielsweise ihren Fleischkonsum, versuchten insgesamt nachhaltiger zu leben, und verzichteten auf Flugreisen. Sie veränderten also Gewohnheiten, bzw. nahmen einen kritischen Blick auf die bestehende Normalität ein. Aus der Prozessperspektive ist daran schön zu erkennen, wie sich innerhalb der Gesellschaft Handlungsregeln verändern und dann plausibel werden.  Auf politischer Ebene beeinflussten lokale FFF Proteste direkt das Kommunikationsverhalten zum Thema Umwelt. Infolge der FFF Proteste urteilte 2021 schließlich sogar das Bundesverfassungsgericht, dass die Klimaschutzpolitik der Regierung unzureichend sei.

Gleichzeitig gab Akteure in der Gesellschaft, die in der Strukturperspektive zu verorten sind, die die FFF Aktionen massiv ablehnten, sich persönlich angegriffen bzw. sich in ihren Grundfesten der gesellschaftlichen Normen des Zusammenlebens erschüttert fühlten. Aus der Prozessperspektive haben die Akteursfelder der Teilnehmenden und des ablehnenden Teils der Gesellschaft wenig Überschneidungen. Plötzlich galten innerhalb des Akteursfelds der Protestierenden neue Regeln (es ist ok für diesen guten Zweck, dem Unterricht fernzubleiben). Im Akteursfeld der Teile der Gesellschaft, die die Aktionen von FFF ablehnte, entstand Unsicherheit bis hin zu Agression gegen die FFF Teilnehmenden, die plötzlich neue Regeln und Handlungsroutinen annahmen, und für sich als neue Norm festlegten.

Fridays for Future wurde schnell zu einer weltweiten Bewegung. In vielen Ländern der Welt haben sich FFF Gruppen gebildet, die sich in ihrem jeweiligen Land für die Klimaziele einsetzen, Demonstrationen planten und sich in politische Diskussionen einbrachten. Überall sind die FFF Gruppen auf ähnliche Widerstände gestoßen und haben neue Regeln und Handlungsstrukturen in die Gesellschaft eingebracht. Ein Großteil der Protestierenden war unter 25 Jahre alt und demonstrierte zum ersten Mal. Die Reichweite der Proteste war enorm bis hin zu der Tatsache, dass die damals 16-jährige Greta Thunberg vor dem UN Klimagipfel in New York eine Rede hielt.  Mittlerweile sind typische Akteursfeld Handlungen der Demonstrierenden in weiten Teilen der Gesamtgesellschaft angekommen – man hat als gemeinsame neue Normalität zu dem Konsens gefunden, dass Klimaschutz unumgänglich ist und aktiv angestrebt werden muss, z.B. durch Verhaltensänderungen.  

Zumindest größere Teile der Bevölkerung stehen hinter den Forderungen und es ist aus heutiger Sich klar, dass die FFF Demonstrationen eine enorme Reichweite hatten und haben. Die FFF Proteste haben ein neues Bewusstsein für Klimaschutz geweckt. Infolge der FFF-Proteste urteilte 2021 schließlich auch das Bundesverfassungsgericht, dass die Klimaschutzpolitik der Regierung unzureichend sei.

 

 

 


Anwendungsaufgabe 1: Die Fridays for Future Bewegung

von Anja Eckardt -

Ein Beispiel für ein sprunghaftes und eigendynamisches glokales Ereignis ist die Entstehung der Fridays for Future (FFF) Bewegung im Jahr 2018.  Der Ursprung dieser Bewegung ist in Schweden zu finden. Dort protestierte Greta Thunberg zunächst allein unter dem Motto „Schulstreik fürs Klima“ vor dem schwedischen Parlament. Aus dieser lokalen Aktion wurde eine weltweite Bewegung. Auch Lokal gab es beispielsweise in großen deutschen Städten wie Berlin, München oder Hamburg immer wieder Demonstrationen.  Die Fridays for Future Bewegung kann also als sprunghaft bezeichnet werden, da sie mit einem kleinen Streik einer einzelnen Person begann und sich innerhalb weniger Monate zu einer Bewegung mit mehreren Millionen Teilnehmern weltweit entwickelt hat. Als eigendynamisch lässt sich die Bewegung ebenfalls beschreiben, da die Ziele bzw. Forderungen, die Strukturen und die Aktionsformen sich immer wieder anpassen. Beispielsweise gab es kleinere Streiks an Schulen, größere in ganzen Städten oder auch digitale Streiks während der Corona Pandemie, die mit dem #NetzstreikFürsKlima verbreitet wurden. Während diese Aktionen breitgefächert stattfanden, gab es auch individuelle Aktionen, die aber die Aufmerksamkeit weltweit auf sich zogen, wie der Segelturn von Greta Thunberg im August 2019 von Plymouth, England nach New York, um an einer UN-Klimakonferenz teilzunehmen.

 Aus einer relationalen Perspektive lassen sich verschiedene Akteure erkennen:

·        Greta Thunberg, die weltweit als Symbolfigur für die Bewegung steht

·        die FFF Netzwerke verschiedener Länder, deren Mitglieder Streiks vor Ort geplant haben

·        Schüler, Studenten, Eltern und Lehrer, die an Streiks teilgenommen haben oder darauf reagieren mussten

·        die Politik, welche mit entsprechenden Klima-Debatten reagiert hat

·        die Medien, die mit ihrer Berichterstattung die Bewegung weltweit immer bekannter gemacht haben

·        die sozialen Medien, die ebenfalls den Bekanntheitsgrad der Bewegung deutlich verstärkt haben und zu einem noch schnelleren Wachstum geholfen haben (Funktion als Katalysator)

Zwischen all diesen Akteuren lassen sich verschiedene Interaktionen beobachten. Der Start der Bewegung, Greta Thunbergs Schulstreik, wurde durch die (sozialen) Medien weltweit verbreitet und erhielt vor allem bei Schülern entsprechende Aufmerksamkeit. Weltweit wurde Greta Thunberg von Schülern als Vorbild gesehen, die ebenfalls Streiks umsetzten. Streiks in verschiedenen deutschen Städten führten zu weitreichenden gesellschaftlichen Diskussionen. Auch auf die Politik wurde Druck ausgeübt und das öffentliche Bewusstsein für wachsende Klimaprobleme deutlich verstärkt. So wurde beispielsweise in Deutschland auch (indirekt) auf den Abschluss von Klimapaketen hingewirkt. Bestärkt wurden diese Prozesse durch die starke Vernetzung der Akteure durch die sozialen Medien. So wurde der #FridaysForFuture weltweit genutzt und hat somit alle Ländernetzwerke verbunden. Lokale Anpassungen wie #AlleFürsKlima oder #ClimateStrikeUSA wurden für größere nationale Streiktage genutzt. Auch aktuell ist die Bewegung noch relevant. So gab es 2023 und 2024 organisierte globale Klimastreiks mit dem Ziel, auf Klimaschutzmaßnahmen hinzuweisen.

Somit zeigt die Fridays for Future Bewegung deutlich, wie aus einer lokalen Initiative mithilfe verschiedener Akteure und deren Vernetzung ein sprunghaftes und eigendynamisches glokales Ereignis werden kann.


Anwendungsaufgabe 1: Die Jeans-Werbung von American Eagle als Beispiel für ein glokales, sprunghaftes und eigendynamisches Ereignis

von Valentina Ly -

In Anlehnung an das Beispiel aus der ersten Vorlesung habe ich mich für die Werbung von US-Schauspielerin Sydney Sweeney für den Modehersteller American Eagle entschieden. In der Werbung wird mit dem Slogan „Sydney Sweeney has great jeans“ geworben, wobei im Englischen der Ausdruck für Jeans genauso ausgesprochen wird wie „genes“ (Gene). Die Assoziation mit „Gene“ weckt Erinnerungen an eugenische Theorien und rassistische Ideologien, was zu einem breiten öffentlichen Aufschrei nicht nur in den USA, sondern auch in Europa führte.

Von einer relationalen Perspektive aus betrachtet, sind viele Akteure und Akteursfelder involviert. Angefangen bei der Schauspielerin, dem Modekonzern, der Werbebranche, den sozialen Medien und ihren Nutzer*innen, über die Algorithmen, die Medienoutlets, bis hin zur amerikanischen Politik – von US-Präsident Trump über Vize-Präsident Vance bis hin zu prominenten Persönlichkeiten wie Tech-Milliardär Elon Musk und sogar der Aktienmarkt. All diese Akteure und Akteursfelder verdeutlichen, wie komplex und verwoben die verschiedenen Interessensgruppen im Zusammenhang mit der Werbung stehen.

Seitdem Trump die Diversitätsinitiativen in den USA unterband, hat auch American Eagle seine Werbestrategie angepasst. Zuvor hatte das Modeunternehmen Werbekampagnen gezeigt, die stark auf Vielfalt, Body Positivity und die Darstellung von Frauen unterschiedlicher Ethnizitäten ausgerichtet waren. Nach Trumps politischem Einfluss auf gesellschaftliche Normen wird sehr stark deutlich, dass die Werbung von American Eagle versucht, von den unberechenbaren Dynamiken und aktuellen Entwicklungen zu profitieren, indem es sich einer konformistischen Strategie zuwandte.

Anstatt einen schweren Image-Schaden zu erleiden, stiegen die Aktien von American Eagle, nachdem die Werbung mit Sweeney viral ging. Der Zuspruch von US-Präsident Trump führte zu einem regelrechten Kursanstieg. Dies zeigt, wie stark Werbung und politische Positionierungen den Aktienmarkt beeinflussen können.

Sydney Sweeney, die sich öffentlich für Female Empowerment stark macht und mit der Werbung gegen häusliche Gewalt aufmerksam machen wollte, äußerte sich lange nicht zu der Werbekampagne. Auch in einem kürzlich gegebenen Interview blieb sie ihrer bisherigen Strategie treu, indem sie lediglich nichts sagende Äußerungen tätigte. Es bleibt abzuwarten, ob diese Werbung ihrer Karriere in der Filmbranche förderlich war oder nicht. Die langfristigen Auswirkungen werden sich erst in Zukunft zeigen. Bislang ist jedoch nicht zu erkennen, dass ihre Serien aufgrund der Kontroversen boykottiert werden.

Anwendungsaufgabe 1: Die #MeToo-Bewegung als Beispiel für ein glokales, sprunghaftes und eigendynamisches Ereignis

von Susanne Abdennouri -


Als ich im Videokurs das H&M – Beispiel gesehen habe und als Maja uns anhand dieses Beispels die Einführung in glokale Phänomen gegeben hat, musste ich sofort an die #MeToo-Bewegung denken. Ich erinnere mich noch an den Moment 2017, als plötzlich überall dieser Hashtag auftauchte. Viele Frauen teilten ihre persönlichen Erfahrungen mit sexueller Belästigung oder Gewalt. Innerhalb weniger Tage war das Thema auf der ganzen Welt präsent. Für mich war das einer dieser Momente, in denen man spürt, dass sich wirklich etwas verändert.

Wenn ich nun versuche eine relationale Perspektive dazu einzunehmen, sehe ich, wie viele Akteur:innen in diesem Geschehen miteinander verbunden waren. Auf der einen Seite standen einzelne Frauen, die ihre Stimme erhoben und den Machtmissbrauch anprangerten. Auf der anderen Seite spielten auch Prominente, Journalist:innen, soziale Netzwerke und Medienhäuser eine große Rolle. Ohne Plattformen wie Twitter / „X“ oder Instagram wäre diese Bewegung wahrscheinlich nie so groß geworden.

Auch der Aspekt der Eigendynamik ist hier deutlich zu erkennen: #MeToo wurde nicht von einer Organisation gesteuert, sondern hat sich zu einer Welle entwickelt, die von selbst Fahrt aufgenommen hat. Jede Person, die ihre Geschichte erzählte, ermutigte andere, das Gleiche zu tun. Dadurch entstand eine Art Netz aus Stimmen.

Aus einer relationalen Perspektive betrachtet kann man also sagen, dass #MeToo ist ein Beziehungsgeflecht ist. Da sind Menschen, Medien, Institutionen, aber auch digitale Algorithmen, die beeinflussen, was sichtbar wird. Alle wirken zusammen und schaffen eine Dynamik, die sich nicht planen lässt.

Auch der interkulturelle Aspekt ist spannend. Zwar war der Auslöser in den USA, doch die Bewegung nahm in jedem Land eine eigene Form an. In Frankreich hieß sie #BalanceTonPorc („Verpfeif dein Schwein“), in Indien #MeTooIndia, in China („Ich auch“). Die Botschaft blieb weltweit verständlich, aber die Umsetzung war lokal geprägt. Das zeigt, wie eng Globales und Lokales heute miteinander verwoben ist und wie sich dadurch auch Machtdynamiken verschieben: Jede einzelne Frau ist aus ihrer einstigen Opferrolle entstiegen und durch das Anprangern des Unrechts, das ihr geschehen ist, ist sie, aber auch die ganze Bewegung in die machtvollere Position gekommen. Ganz konkret zeigte sich das in der Verhaftung zahlreicher Akteure und in den vielen Prozessen. Aber auch in privaten Räumen hat die Bewegung sicher weltweit viel bewegt und Frauen mehr Stärke verliehen.