Mono-/Multi-/Interkulturalität in Wahlprogrammen

Mono-/Multi-/Interkulturalität in Wahlprogrammen

von Marie-Joseph Gomis -
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CDU (Regierungsprogramm 2025, "Flugblatt Migration 2025")

„Wir werden Rückführungen konsequenter durchsetzen […] Straftäter und diejenigen, die gewaltsame Konflikte nach Deutschland tragen, müssen unser Land verlassen.“

„Der deutsche Pass steht am Ende einer erfolgreichen Integration – nicht am Anfang.“

Mit diesen Zitaten operiert die CDU aus einer engen, geschlossenen Strukturperspektive, in der Migration primär als potenzielle Gefährdungslage interpretiert wird. Unsicherheit wird in diesem Verständnis nicht als Anlass für Austausch oder Aushandlung gedeutet, sondern als Bedrohung, die durch ordnungspolitische Maßnahmen kontrolliert werden muss.

Integration erscheint in dieser Logik weniger als prozesshaftes, wechselseitiges Gestalten des Zusammenlebens, sondern primär als einseitige Anpassungsleistung an bestehende kulturelle und normative Strukturen. Die Zugehörigkeit von Migrant:innen wird daran geknüpft, ob sie sich widerspruchslos in diese vorgegebenen Rahmen einfügen; Abweichung oder Regelbruch legitimiert Ausschluss. Damit wird Einwanderung nutzenorientiert bewertet: erwünschte Beiträge sollen erhalten, unerwünschte Entwicklungen hingegen „zurückgeführt“ werden.

Diese Nutzenasymmetrie verweist auf eine migrationspolitische Haltung, die sich klar im Feld der Monokulturalität verorten lässt: Sie setzt auf Homogenisierung und Sicherung der eigenen Kultur durch Abgrenzung und Exklusion. Migration wird als ein Prozess verstanden, der strukturell gesteuert und begrenzt, aber nicht als Chance für gesellschaftliche Weiterentwicklung oder Transformation aufgefasst wird. Die CDU bleibt damit fest in einer strukturell orientierten, defensiven Perspektive, in der die Bewahrung bestehender kultureller Ordnung Vorrang vor offenen, prozessorientierten Integrationsmodellen hat.

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Zitat der FDP (Wahlprogramm FDP 2025)

„Wir wollen geordnete Migration nach klaren Regeln, die auch durchgesetzt werden. Wir wollen Einwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht in die sozialen Sicherungssysteme. Und wir wollen unserer humanitären Verantwortung gerecht werden, sie aber auch an unseren realen Möglichkeiten ausrichten. Nur durch nachhaltige Integration lässt sich zudem die gesellschaftliche Akzeptanz für Einwanderung erhalten.“

Die FDP arbeitet in diesem Zitat mit einem geschlossenen, zweiwertigen Kulturverständnis, in dem kulturelle Differenz zwar anerkannt, jedoch klar gerahmt und über feste Regeln reguliert wird. Die Betonung auf „geordnete Migration“, klare Regeln und Arbeitsmarktintegration folgt einer multikulturellen Logik, in der unterschiedliche Gruppen nebeneinander bestehen können, jedoch vor allem über Funktionalität, Ordnung und Steuerung eingebunden werden.

Erleichterungen werden jenen zugesprochen, die sich in den bestehenden normativen Rahmen einfügen („nach unseren Werten lebt“). Dies verweist auf ein abgrenzendes Interaktionsverständnis, das gesellschaftliche Unsicherheit eher durch Regulierung und Kontrolle bearbeitet als durch dialogorientierte oder synergetische Prozesse.

Insgesamt zeigt das Zitat eine deutlich strukturorientierte, funktional-multikulturelle Perspektive, die Vielfalt verwaltet und reguliert, jedoch nicht in wechselseitige Transformationsprozesse oder inklusive Gestaltung des Zusammenlebens überführt.

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Zitat der SPD (Wahlprogramm SPD 2025)

„Wir wollen ein Partizipationsgesetz auf den Weg bringen: Durch verbindliche Regelungen soll gleichberechtigte Teilhabe in allen relevanten Bereichen – von Bildung und Arbeit bis hin zu politischer Mitbestimmung – erreicht werden. Ziel ist es, Teilhabehürden abzubauen, Chancengleichheit zu schaffen und so Integration sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.“

Dieses Zitat der SPD richtet sich an einem erweiterten, mehrwertigen Kulturverständnis, das Integration nicht als einseitige Anpassungsleistung, sondern als strukturell abgesicherten Teilhabeprozess begreift. Der Fokus auf „gleichberechtigte Teilhabe“ in Bildung, Arbeit und politischer Mitbestimmung signalisiert eine prozesshafte Öffnung gesellschaftlicher Räume, in denen Zugehörigkeit nicht durch kulturelle Angleichung entsteht, sondern durch den Abbau von Barrieren und die Herstellung realer Chancengleichheit.

Die Formulierung eines verbindlichen Partizipationsgesetzes verweist auf ein Verständnis von Integration, das über funktionale Eingliederung hinausgeht und gezielt Machtasymmetrien adressiert. Teilhabe wird nicht als private Initiative Einzelner gesehen, sondern als gesellschaftliche Aufgabe, die aktive Anpassungen im bestehenden System erfordert. Dadurch wird ein Interaktionsmodus erkennbar, der auf Inklusion, Kooperation und gemeinsames Gestalten zielt statt auf ein bloßes Nebeneinander.

Insgesamt repräsentiert das Zitat eine interkulturelle Perspektive, die gesellschaftliche Vielfalt als Ressource betrachtet und Integration als wechselseitigen Transformationsprozess versteht. Nicht kulturelle Anpassung, sondern strukturelle Öffnung, gerechte Teilhaberechte und gemeinschaftlicher Zusammenhalt stehen im Zentrum – ein Ansatz, der deutlich über die Logik funktional-multikultureller Verwaltung hinausgeht.